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Von der Geschäftsidee zum fundierten Business Case

BUSINESS CASE IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE - EINE EINFÜHRUNG

 

 

Der vorherige Artikel befasste sich mit der Suche nach Investor_innen und den wichtigsten Punkten zum Portfolio eines Startups. Während sich die meisten dieser Punkte problemlos in wenigen Absätzen erklären lassen, verhält es sich mit dem Business Case anders. Wie eine Geschäftsidee letztendlich zu einem Business Case wird, bedarf einer ausführlichen Beschreibung. Denn von allen Dokumenten und Referenzen eines Startups ist der Business Case wohl das, was die Investor_innen am meisten interessiert.

 

DER ZWECK EINES BUSINESS CASE

Bei einem Business Case handelt es sich, kurz gesagt, um den Umsetzungsplan einer Geschäftsidee. Marktteilnehmer legen darin fest, wie bzw. in welchem Rahmen sie ihre Fahrzeugvision realisieren wollen und beantworten damit in detaillierter Form die Fragen nach dem Mehrwert ihres Projekts für die jeweiligen Geschäftspartner.

Der prognostizierte wirtschaftliche Erfolg ist die zentrale treibende Kraft bei Investitionen in Fahrzeugprojekte. Investor_innen orientieren sich daher in erster Linie an jenen Zahlen, die das Profitpotenzial der Fahrzeuge eines neuen Startups reflektieren.

Die wichtigste Frage ist also: Was genau macht ein Fahrzeugprojekt profitabel? Selbst bei noch nicht erfolgtem Markteintritt können Startups die Glaubwürdigkeit ihres Fahrzeugprojekts und den Wert ihrer Vision frühzeitig steigern, indem sie folgende Ansätze verfolgen:

  1. Indem sie schon vorab mit Investor_innen in Kontakt treten, d. h. entweder direkt auf diese zugehen oder im Zuge eines öffentlichen Auftritts (z. B. bei einer Messeveranstaltung) auf sich aufmerksam machen.
  2. Durch die Zusammenarbeit mit namhaften Größen der Fahrzeugbranche, z. B. mit Investor_innen, Lieferanten oder namhaften Gesamtfahrzeug-Fertigungspartnern wie Magna.
  3. Nicht zuletzt dadurch, dass sie neben der Wirtschaftlichkeit ihrer Vision auch ihre eigenen Fähigkeiten als Fahrzeug-Hersteller unter Beweis stellen. In genau diesem Punkt ist der Business Case eines der wichtigsten Hilfsmittel.

 

WAS IST NOTWENDIG, UM EINEN BUSINESS CASE ZU ENTWICKELN?

Der Business Case ist Teil eines umfassenderen Projektgeschäftsplanes und sollte daher so früh wie möglich entworfen bzw. dargelegt werden. Wie bereits erwähnt, beschreibt der Business Case die Ziele, Voraussetzungen und den geplanten Einstieg des Unternehmens in den Fahrzeugmarkt. Der erste Schritt zum Business Case besteht demnach in der Analyse des Zielmarktes, und zwar in Hinblick auf folgende Informationen:

  • Marktgröße
  • Kundensegmente
  • Wettbewerber
  • Marktpotenzial
  • aktuelle Trends

Zu diesem Zeitpunkt sollte das Startup bereits Ziele, den Status quo und den USP („Unique Selling Proposition“, Alleinstellungsmerkmal) seiner Fahrzeugmarke ermittelt haben. Die Vereinbarkeit dieser Ziele mit den technischen Rahmenbedingungen wird in einem nächsten Schritt im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geprüft. Erst dann kann der Business Case erstellt werden.

 

DIE INHALTE EINES AUTOMOTIVE BUSINESS CASE

Die Erstellung des Business Case selbst lässt sich grob in zwei zu bestimmende Bereiche gliedern, die stark voneinander abhängig und demnach parallel abzuarbeiten sind:

1. der Ressourcen- und Finanzbedarf
2. der erwartete Gewinn

Die Basis dieser beiden Bereiche innerhalb eines Automotive Business Case ist das Produktionsvolumen. Dieses definiert einerseits die potenziellen Verkaufszahlen und wirkt sich andererseits auch direkt auf Faktoren wie Personalkosten, Markteinführungszeit und Qualität der Werkzeuge aus.

Zu bedenken ist, dass die Bestimmung des Produktionsvolumens selbst von den erfahrensten Herstellern lediglich auf Schätzungen basiert. Wer sich mit der Planung des Produktionsvolumens befasst, muss sich auch im Klaren darüber sein, dass die Prognose verlässlicher Zahlen ein schwieriges Unterfangen darstellt. Als besonders herausfordernd erweist sich das für Startups, denen noch keine Vergleichsdaten aus früheren Projekten zur Verfügung stehen.

Liegt jedoch einmal eine Schätzung der Produktionsmenge vor, lassen sich ausgehend davon sowohl der Ressourcen- bzw. Finanzbedarf sowie der erwartete Gewinn des Projekts ermitteln.

 

RESSOURCEN- UND FINANZIERUNGSANFORDERUNGEN DER GESCHÄFTSIDEE

Die Anforderungen werden wie folgt ermittelt:

  1. Die Auswahl des Fertigungsstandortes. Relevante Faktoren dafür sind u. a. lokale Lohnniveaus, gesetzliche Vorschriften, nationale Förderinitiativen, Steuern und vorhandene Lieferanten.
  2. Der Grad der Eigenfertigung. Je geringer dieser Grad, desto kleiner ist auch die anfängliche Kostenbelastung für Startups. Allerdings erhöht sich damit auch die Abhängigkeit von einem externen Versorgungsnetz.
  3. Sind die Umrisse der innerbetrieblichen Fertigungskette einmal definiert, wird als nächstes die Fahrzeugstückliste (Bill of Material, BOM) erstellt. Diese umfasst sämtliche materialbezogenen Ausgaben des Projekts, d. h. alle Material-, Montage-, Arbeits- und Einkaufskosten ebenso wie alle einmaligen Kosten für Werkzeuge, Lieferantenentwicklung, Planung, Inbetriebnahme sowie Investitionen in die Stückliste.
  4. Schätzung des Kostenaufwands für den Aufbau eines zuverlässigen After-Sales-Netzwerks. Denn schon bestehende Kundschaft sollte auch nach dem Kauf einen angemessenen Service bei Problemen mit dem Fahrzeug erhalten.

In Bezug auf diese Anforderungen ist es auch wichtig, unerwartete Entwicklungen einzukalkulieren. So könnte beispielsweise die Lieferkette für Lithium (eine wichtige Ressource für EV-Batterien) durch politische Unruhen oder einen plötzlichen Zusammenbruch von Bergbaugebieten aufgrund von Naturkatastrophen unterbrochen werden. Dadurch würde sich der Lithium-Preis erhöhen – und mit ihm die Kosten für die benötigten Fahrzeugteile. Solche Unsicherheitsfaktoren sollten vertraglich berücksichtigt werden.

 

ERWARTETER GEWINN DER GESCHÄFTSIDEE

Der Fahrzeugpreis ist das wichtigste Maß zur Berechnung des erwarteten Gewinns. Es ist allerdings wichtig zu bedenken, dass der Preis Teil der gesamten Marketingstrategie ist und aus diesem Grund nicht willkürlich angepasst werden kann, nur um Gewinnziele zu erreichen. Daher sind vor jeder wesentlichen Änderung des Marktpreises 1. die Auswirkungen auf den Zielkund_innenstamm des Fahrzeugs zu prüfen und 2. ist zu klären, ob Änderungen an der Marketingstrategie notwendig und realisierbar sind.

Der abgeschlossene Business Case gibt dem Startup eine klare Vorstellung davon, ob sein Projekt unter den gesetzten Bedingungen ausreichende Erlöse erzielen wird.

 

HERAUSFORDERUNGEN EINES BUSINESS CASE

Auch beim Erstellen eines Business Case gibt es einige Herausforderungen zu bewältigen:

Herausforderung #1: Den korrekten Produktionsumfang definieren

Eine der häufigsten Herausforderungen besteht darin, den genauen Produktionsumfang zu definieren, der angestrebt werden sollte. Beim Einstieg in den Fahrzeugmarkt fehlt es Startups naturgemäß noch an Vergleichsmaßstäben hinsichtlich ihrer Marktleistung. Da ihre Marke noch nicht etabliert ist, können sie nicht mit Sicherheit abschätzen, wie sich der Absatz entwickeln wird.

 

Herausforderung #2: Geringe Produktionsmengen von Automotive Startups

Ein weiterer wichtiger Faktor in Bezug auf den Produktionsumfang ist, dass ein besonders geringes Produktionsvolumen (alles im 5- bis niedrigen 6-stelligen Bereich) Lieferanten oder Produktionspartner von einer Zusammenarbeit mit Startups abhalten kann. Niedrige Produktionszahlen bedeuten automatisch auch geringere Erlösaussichten – und erfordern obendrein den Aufbau einer komplett neuen Produktionskette.

 

Herausforderung #3: Der Business Case liefert zu niedrige Erlöse

Der Business Case kann schlichtweg auch zu unbefriedigenden Erlösen führen und eine Anpassung des Projektes notwendig machen. Möglichkeiten, darauf zu reagieren, sind:

  1. Die Erhöhung des Fahrzeugpreises, die jedoch, wie bereits erwähnt, auch Auswirkungen auf die Marketingstrategie hätte.
  2. Der Wechsel des Produktionsstandortes in ein Land mit günstigeren Förderprogrammen, besseren Steuerbedingungen oder niedrigeren Arbeitskosten. Der Standortwechsel sollte sich allerdings nicht negativ auf die Produktqualität, Transport- und Lieferantenkosten auswirken. Außerdem sollte entsprechendes Knowhow seitens der lokalen Arbeitskräfte vorhanden sein.
  3. Die Reduzierung von Einmalkosten durch die Auslagerung bestimmter Aspekte der Produktionskette. Um die anfängliche finanzielle Belastung zu verringern, bietet es sich z. B. an, Fahrzeug-Entwicklungs- und -Produktionspartner zu beauftragen und dadurch die Eigenproduktion zu reduzieren. Eine ebenso praktikable Möglichkeit wäre die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugplattformen.

 

AUSBLICK: 5 ARGUMENTE, UM INVESTOR_INNEN VON IHREM FAHRZEUGPROJEKT ZU ÜBERZEUGEN

Zusammenfassend beschreibt der Business Case, wie alle beteiligten Stakeholder finanziell von der Realisierung der Geschäftsidee profitieren werden. Er stellt Annahmen über das Projekt in ersten Zahlen dar – stets unter Berücksichtigung unterschiedlicher Szenarien, die sich aus gewissen Unsicherheitsfaktoren ergeben können.

Es ist wichtig, dass Startups ihre Geschäftsidee exakt wie im Business Case festgelegt umsetzen. Dabei sollten sie immer offen für Vorschläge erfahrener Partner bleiben und bereit sein, ihren Business Case ggf. zu ändern. Investor_innen werden der Gültigkeit der im Business Case dargelegten Zahlen stets kritisch gegenüberstehen. Es lohnt sich also, Zeit, Arbeit und Verantwortung in die Entwicklung eines Business Case zu investieren. Einerseits erhalten Startups dadurch ein realistisches Bild von ihrem Projekt und andererseits eine bessere Ausgangsposition, um Investor_innen und Partner an Bord zu holen. Wie Sie diese mit 5 Argumenten von Ihrem Fahrzeugprojekt überzeugen können, erläutert der folgende Artikel.

 

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Thomas Ledinegg

Thomas Ledinegg ist Finanzdirektor von Magna Steyr Engineering.

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