DIE TECHNISCHEN HERAUSFORDERUNGEN HINTER STYLINGVISIONEN
Manchmal wird angenommen, dass das Styling im Fahrzeugentwicklungsprozess eine untergeordnete Rolle spielt, d. h. der Funktion mehr Wichtigkeit zukommt als der Form. Styling ist jedoch nicht nur als ein einzelner, klar abgegrenzter Schritt im Entwicklungsprozess zu sehen. Tatsächlich handelt es sich um einen äußerst wichtigen Aspekt.
Genau wie die Ausstattungsliste ist das Styling ein wesentlicher Bestandteil eines Fahrzeuges. Beide müssen parallel entwickelt werden. Durch die zunehmende Standardisierung vieler technischer Fahrzeugmerkmale wird die Bedeutung des Designerlebnisses als Alleinstellungsmerkmal auf emotionaler Ebene immer wichtiger.
Allerdings gehen Styling und Funktionalität oft nicht Hand in Hand. Vom Showcar bis zum Serienfahrzeug durchlebt jedes Auto große, weitreichende Veränderungen. Dabei verliert es mitunter viel von seinem ursprünglich stilisierten Charakter, um gesetzlichen Normen, Herstellungskonventionen und technischen Anforderungen gerecht zu werden. Auf der anderen Seite versuchen Fahrzeugdesigner_innen, so nah wie möglich an der Schlüsselskizze zu bleiben. Das bedeutet, dass Ingenieur_innen und Designer_innen jeden Zentimeter des Fahrzeuges besprechen müssen, um Vision und Realität aufeinander abzustimmen.
Fahrzeugdesigner_innen arbeiten mit Emotionen, Fahrzeugingenieur_innen mit Zahlen
Eine häufige Konfliktquelle für Designer_innen ist, dass sie ihre visuellen Konzepte nicht in Zahlen fassen können, während numerische Daten das wichtigste Werkzeug von Ingenieur_innen sind. Da Kund_innenentscheidungen jedoch oft auf emotionaler Ebene getroffen werden, ist die Sichtweise der Designer_innen und deren Fokus auf zukünftige Zielgruppen entscheidend für den Markterfolg.
Dies sei am Beispiel von Fahrassistenzsystemen (ADAS) erklärt: Damit ein ADAS ordnungsgemäß funktioniert, sind zahlreiche externe Sensoren erforderlich. Von Sensoren zur Überwachung des toten Winkels bis hin zu Parkassistenten und Rundumsicht haben alle diese Sensoren eine feste Position an einem Fahrzeug. Das Verschieben nur eines Sensors könnte die Funktionalität des gesamten ADAS beeinträchtigen, ganz zu schweigen von den damit verbundenen sicherheitstechnischen und rechtlichen Auswirkungen.
Die Geheimzutat: Konsequente Entscheidungsfindung
Aus diesem Grund müssen Ingenieur_innen und Stylingteams eng zusammenarbeiten und, was noch wichtiger ist, sich in das jeweils andere Team hineinversetzen. Gute Stylingteams verfügen über hervorragende Kenntnisse der Fahrzeugentwicklung sowie der jeweiligen Anforderungen und Herausforderungen.
Auf der anderen Seite haben erfahrene Fahrzeugentwickler_innen ein scharfes Auge auf – oder zumindest ein offenes Ohr für – Designkonventionen und Ästhetik. Idealerweise gibt es einen_eine Studioingenieur_in, der_die als Vermittler_in zwischen den Fahrzeugdesign- und Entwicklungsteams fungiert.
Ein Minimum an nachträglichen Stylingänderungen
Ähnlich wie im gesamten Entwicklungsprozess sollten nachträgliche Änderungen an bereits vereinbarten Komponenten und Systemen auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Insbesondere Marktneueinsteiger sollten sich über die wichtigsten Eckpfeiler ihrer Fahrzeugvision im Klaren sein.
Selbst scheinbar kleine Änderungen am Design, seien es geringfügig größere Reifen oder eine minimale Änderung des Winkels der Windschutzscheibe, können Auswirkungen auf das Gesamtfahrzeug haben. Dies wiederum könnte sich auf den Zeitplan auswirken und zu Budgetüberschreitungen führen.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Styling ist viel mehr als das Kreieren glamouröser Showcars. Es ist die Kunst, die DNA eines Fahrzeuges einzufangen. Einzigartige Elemente, die den Charakter und die unverkennbare Persönlichkeit eines Fahrzeuges ausmachen, sind Schlüsselfaktoren, um den Ansprüchen der nächsten Kund_innengeneration gerecht zu werden.
Von der Form des Fahrzeuges über seine Außen- und Innenflächen, Farben, Materialien und das endgültige Erlebnis bis hin zu UI/UX und Akustik ist das Fahrzeugdesign eine anspruchsvolle Disziplin, die sich über alle Aspekte des Herstellungsprozesses erstreckt. Aus diesem Grund gerät das Styling oft in Konflikt mit den technischen Anforderungen des Fahrzeuges. Gute Designer_innen sollten die technischen Anforderungen an ein Fahrzeug kennen, während gute Ingenieur_innen auch auf die ästhetischen Anforderungen achten sollten.
Tatsächlich könnte man sagen, dass Styling die Disziplin ist, mit der sich die Vision eines Marktneueinsteigers am meisten beschäftigt. Sie ist ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Umsetzung einer automobilen Vision. Das macht sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Fahrzeugentwicklungsprozesses.
Darüber hinaus werden die Anforderungen der Nutzer_innen an das Fahrgefühl und
Fahrerlebnis mit zunehmender Autonomie der Autos weiter steigen.
Infolgedessen werden künftige Generationen von Designer_innen vor der Herausforderung stehen, eine neue und bessere Welt der Mobilität zu schaffen. Kreativität, Innovation und visionäres Denken werden die Schlüsselfaktoren im zukünftigen Mobilitätsdesign sein.